Von HenkerSatire auf Mittwoch, 29. Oktober 2025
Kategorie: Statements

Das Preisschild der Moral – oder wie man ein Land höflich stranguliert

Es ist ein merkwürdiges Schauspiel, wenn ein Land, das wirtschaftlich taumelt, beschließt, sich durch höhere Kosten zu heilen. Deutschland tut genau das: Der Mindestlohn soll auf 13,90 € steigen, später auf 14,60 €. Ein symbolischer Akt, getragen von der Überzeugung, dass moralische Wärme ökonomische Kälte ausgleichen könne.

Man nennt es Fortschritt, weil es sich besser anhört als Realitätsverweigerung. Die Wirtschaft stagniert, die Produktivität sinkt, die Steuern bleiben hoch, die Energiepreise ruinieren ganze Branchen – und doch soll der Arbeitgeber mehr zahlen. Nicht, weil er es kann, sondern weil er es soll. Die Moral übernimmt die Buchführung.

Das Argument ist bekannt: Wer arbeitet, soll davon leben können. Es klingt richtig, weil es niemand ernsthaft falsch finden darf. Aber die Frage, wovon er lebt, bleibt unbeantwortet, wenn der Betrieb, der ihn beschäftigt, nicht mehr existiert. Die Gerechtigkeit, die aus guten Absichten geboren wird, neigt dazu, ihre Kinder zu verschlingen.

In der Gastronomie und im Handwerk, in Pflege und Dienstleistung zeigen sich die Folgen zuerst. Dort, wo Stundenlöhne nicht aus Kapital, sondern aus Einsatz bezahlt werden, verwandelt sich jede Erhöhung in eine Rechenaufgabe, die nicht mehr aufgeht. Der Wirt kalkuliert, der Gast zögert, der Stuhl bleibt leer.

Der Staat betrachtet das von oben und nennt es „Transformation". In Wahrheit transformiert er nur die Verantwortung: vom eigenen Versagen auf jene, die noch arbeiten. Denn anstatt die Rahmenbedingungen zu verbessern – Steuern zu senken, Energie zu sichern, Bürokratie zu lösen – erhöht man die Fiktion, dass Wohlstand verordnet werden könne.

Ein Lohn ist keine Tugend, sondern ein Spiegel der Leistungsfähigkeit. Wenn man diesen Spiegel zerbricht, um das Bild darin zu verschönern, steht man am Ende im Dunkeln. Und vielleicht ist es genau das, was geschieht: Deutschland löscht das Licht, um den Staub nicht zu sehen.

Der Mindestlohn von 14,60 € ist kein Fortschritt, sondern ein Trostpflaster auf einer klaffenden Wunde.
Er beruhigt das Gewissen und betäubt die Realität.

Doch Betäubung heilt nicht – sie verzögert nur den Schmerz.

Und während die Politik den nächsten symbolischen Sieg verkündet, wartet die Wirtschaft im Operationssaal auf den Stromausfall.
Der Patient lebt, sagen sie. Aber niemand überprüft mehr, ob er atmet.

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