Ein dystopisches Märchen von Freiheit und Kontrolle
Es begann schleichend. Nicht mit Panzern oder Mauern, sondern mit Worten. Erst war es nur „Haltung zeigen", dann „gegen Hass kämpfen", schließlich „die richtigen Konsequenzen ziehen". Und während das Volk jubelte, wurde das Land heimlich umgebaut – in eine moderne, smartere Version der Vergangenheit.
Die DDR war offiziell gefallen, aber ihre Ideen lebten weiter. Diesmal ohne graue Plattenbauten, dafür mit glänzenden PR-Kampagnen. Statt roher Stasi-Spitzel gab es nun Faktenchecker und Algorithmen. Die neuen Wachen trugen keine Uniformen, sondern saßen in Redaktionen, NGOs und Moderationsbüros großer Plattformen. Kontrolle war kein Zwang mehr – sie wurde verkauft als Tugend.
Die digitale Mauer – Unsichtbar, aber lückenlosGrenzen? Brauchte man nicht mehr. Wer sich falsch äußerte, wurde nicht mehr eingesperrt – er wurde einfach gelöscht. Ein falsch platzierter Kommentar? Der Algorithmus kümmerte sich darum. Falsche Fragen gestellt? Das Konto gesperrt. Zu laut gedacht? Der Arbeitgeber erhielt einen „freundlichen" Hinweis, ob das Arbeitsklima mit solch einer Person noch tragbar sei.
Die Mauer stand nicht mehr aus Beton – sie war jetzt aus gesellschaftlichem Druck und systematischer Erziehung gebaut. Jeder war sein eigener Wärter geworden, aus Angst, das Falsche zu sagen.
Das Ministerium für Wahrheit – Jetzt in buntOffiziell gab es keine Staatsmedien. Es gab nur „vertrauenswürdige Quellen". Der Unterschied? Keiner. Die Schlagzeilen klangen gleich, egal auf welchem Sender man war. Dieselben Experten, dieselben Perspektiven, dieselben „spontanen" Bürgermeinungen, die genau das sagten, was das Land hören sollte.
Kritik galt nicht mehr als demokratische Notwendigkeit, sondern als Störung. Eine „falsche" Meinung war kein abweichender Standpunkt mehr, sondern eine „Desinformation". Und wer sich nicht von allein beugte, wurde „entmonetarisiert", „entfolgt" oder „überprüft".
Das soziale Punktesystem – Aber mit einem freundlichen LächelnMan sprach nicht von Sozialkrediten – das wäre zu offensichtlich gewesen. Stattdessen gab es Zertifikate, Bewertungen und Prädikate:
- Wurde dein Unternehmen als „nachhaltig & divers" gelistet? Subventionen winkten.
- Hast du den aktuellen Haltungstrend unterstützt? Dein Kredit-Scoring sah gut aus.
- Hast du dich geweigert, dich öffentlich zu positionieren? Tja, vielleicht gab es plötzlich einen „technischen Fehler" in deiner Bewerbung.
Es war keine Diktatur. Es war nur ein System, in dem du freiwillig die „richtige Entscheidung" treffen konntest – oder eben die Konsequenzen spürtest.
Freiheit? Gab es. Aber nicht für alle.Natürlich durfte man alles sagen. Aber nicht alles hatte Konsequenzlosigkeit. Natürlich durfte man reisen. Aber nicht überall wurde man willkommen geheißen. Natürlich durfte man protestieren. Aber nur für das Richtige.
Und so wachte die neue Republik eines Morgens auf und stellte fest:
- Man musste nicht mehr mit Gewalt regiert werden.
- Man musste nicht einmal mehr Angst haben.
- Man hatte gelernt, sich selbst zu zensieren.
Demokratie hatte gewonnen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis war sie zu einem Ritual geworden – ein jährliches Fest, bei dem die Leute ihre eigene Unfreiheit feierten.
Und währenddessen saßen die „Verwalter der Demokratie" in ihren Büros und schmunzelten:
Die Menschen hatten es wieder selbst gewählt.