Brüder wider Willen – Eine Familienchronik des Wahnsinns
Prolog: Die Kneipe des Schicksals
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Die Luft riecht nach abgestandenem Bier und verlorenen Wetten. Drei Brüder sitzen an einem runden Tisch, den eine klebrige Schicht verschütteter Vergangenheit überzieht.
Lukas, der misstrauische Prepper, schüttet sich einen billigen Schnaps ein. Ben, der systemtreue Smart-Living-Apostel, checkt auf seinem Smartphone die neuesten Regierungsempfehlungen. David, der einzige mit klarem Verstand, sitzt zwischen ihnen, als hätte er zwei Planeten in ihrer eigenen Umlaufbahn eingefangen.
„Und dann stand sie vor mir mit diesem verdammten Tofu-Burger, als wäre es der Leib Christi", beginnt Lukas.
„Smart-Meter sind praktisch, Bruder. Du kannst deinen Energieverbrauch optimieren", kontert Ben.
David seufzt. Es wird ein langer Abend.
Kapitel 1: Die Öko-Trulla und das Steak der VersuchungLukas war immer ein Mann der einfachen Genüsse: ein blutiges Steak, eine kalte Dusche und das Wissen, dass er im Krisenfall eine Bunkertür hinter sich zuschlagen kann. Seine Frau, Anna, hingegen lebt für den Planeten. Sie trägt T-Shirts mit „Klimakämpferin" und hält Vorträge über die spirituelle Reinheit von Selleriesaft.
Der gemeinsame Haushalt ist eine tickende Zeitbombe. Der Kühlschrank enthält ausschließlich pflanzliche Produkte, die so tun, als wären sie Fleisch. Er hat sich mittlerweile angewöhnt, sein Essen im Garten zu vergraben wie ein verhaltensgestörter Golden Retriever.
Eines Tages wird er erwischt.
Anna kommt in den Schuppen und findet ihn kniend vor einem Stück Ribeye, das er in Alufolie eingewickelt im Blumentopf geparkt hat.
„Lukas, WAS IST DAS?!"
Er überlegt. Lügen? Oder eine Notlüge?
„Das ist… äh… ein Ritual. Um meine männliche Energie zu erden."
Sie runzelt die Stirn. „Mit Rindfleisch?!"
„Äh, ja? Die alten Krieger haben das gemacht. Ich hab's bei Joe Rogan gehört."
Sie glaubt ihm nicht. Die Eheberatung wird intensiv. Sein Sohn malt in der Kita Bilder von „Papa mit dem bösen Fleisch", und Lukas spürt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis seine heimliche Grill-Session auffliegt.
Aber er hält durch. Bis zum bitteren Ende.
Kapitel 2: Die Staatsgläubige und das smarte ZuhauseBen liebt Fortschritt. Er glaubt an digitale Lösungen, Smart Cities und an ein Leben, in dem er nicht mal mehr selbst denken muss – weil es dafür eine App gibt. Seine Frau, Nadine, ist die Inkarnation dieses Glaubens.
Das Haus ist eine digitale Festung. Die Kaffeemaschine ist mit der Regierung verbunden, der Wasserhahn analysiert den CO₂-Fußabdruck des Haushalts, und wenn jemand Bargeld benutzt, wird das sofort als verdächtiges Verhalten gemeldet.
Eines Tages kommt Ben nach Hause und stellt fest, dass Nadine die Haustür mit ihrer Stimme verriegelt hat. Die neue KI-Sicherheitssoftware erkennt ihn nicht.
„Nadine, mach auf!"
„Moment, ich checke deine biometrischen Daten. Sag mal dein Impfzertifikat durch."
Ben knirscht mit den Zähnen. „Ich wohne hier!"
„Ja, ja, aber wir können ja nicht vorsichtig genug sein."
Irgendwann ist das System gnädig und lässt ihn eintreten. Aber nur, weil Nadine die manuelle Genehmigung per Gesichtserkennung gibt.
Während er sich ein Bier holt (die smarte Kühlsoftware erlaubt ihm exakt eins am Tag), denkt er darüber nach, dass es vielleicht doch einen Punkt gibt, an dem Digitalisierung zu weit geht. Aber er würde es nie zugeben.
Kapitel 3: Die letzte Vernünftige und die Frage nach dem SinnDavid hat Glück. Seine Frau, Lisa, ist ein Relikt aus einer Zeit, in der man nicht jeden Schritt entweder moralisch oder technokratisch überdenken musste.
„Also Moment", sagt sie, während sie sich eine Pizza mit echtem Käse genehmigt. „Dein Bruder lebt in einer Prepper-Festung und der andere in einer dystopischen Black-Mirror-Episode?"
David nickt.
„Warum trefft ihr euch überhaupt noch?"
Er zuckt mit den Schultern. „Familie ist Familie."
Sie lacht. „Und was hast du davon?"
„Den besten Stoff für einen Roman."
Epilog: Die Zukunft ist ein schlechter ScherzZurück in der Kneipe. Drei Brüder, drei Lebenswege, eine große Frage:
„Wie zur Hölle sind wir hier gelandet?"
Lukas trinkt. Ben scrollt. David genießt sein Bier, ohne dass ein Algorithmus es für ihn freigegeben hat.
Und dann schweigen sie. Denn im Grunde wissen sie es alle: Niemand ist normal. Wir sind nur verschieden verrückt.
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